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Meine Schwäche schreibt mit – und das ist gut so

Rechtschreibung und ich – (k)eine Liebesgeschichte in echt


Als Kind bekam ich für meine Aufsätze oft eine Fünf – nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der Fehler. Heute schreibe ich mit Freude, veröffentliche Bücher und vertraue auf meine eigene Sprache, auch wenn sie manchmal gegen die Regeln tanzt. Eine persönliche Geschichte über Scham, Stolz, ein Plüsch-Einhorn – und die wohltuende Erkenntnis: Schreiben darf Fehler machen.


Wenn Sprache sich nicht richtig anfühlt

In der Grundschule hatte ich oft eine 5 unter meinen Aufsätzen stehen. Nicht, weil ich nichts zu sagen hatte. Sondern weil das, was ich sagen wollte, nicht den Regeln entsprach. Wörter wanderten bei mir quer über das Blatt, Kommas blieben dort, wo sie sich sicher fühlten – also lieber gar nicht. Und manchmal schrieb ich „Welt“ mit d. Ich wusste früh, dass ich eine Rechtschreibschwäche habe. Und ich wusste ebenso früh, dass das, was ich schreiben wollte, deswegen vielleicht nie gelesen werden würde.

Ein Satz von damals hat sich tief eingebrannt:


„Du hast gute Gedanken – aber so kann man das niemandem zumuten.“


Gemeint war meine Schrift. Oder mein Text. Oder beides.


Ein Aufsatz, der überlebt hat

Trotzdem gab es auch Lichtblicke. Ich erinnere mich an einen Aufsatz in der Grundschule. Das Thema habe ich längst vergessen, aber den Inhalt nicht: Ich schrieb über einen Sonntagsspaziergang mit der Familie, bei dem ich dringend pinkeln musste, in ein Loch fiel und mir vor Aufregung in die Hose machte.

Der Text war ehrlich, lebendig, komisch – und voller Fehler. Doch meine Lehrerin fand ihn so lustig, dass sie ihn aufbewahrte. Fünfzehn Jahre später gab sie ihn mir zurück. Der Rotstift war noch deutlich zu sehen – aber auch ihr Lächeln: „Der Inhalt hat überlebt.“

Diese Szene begleitet mich bis heute. Sie steht für das, was ich inzwischen weiß: Fehler dürfen sichtbar sein – wenn das Herz mitschreibt.


Heute: Schreiben als Spiegel

Seit Anfang des Jahres schreibe ich jeden Morgen zu einem Zitat der Stoiker. 2025 ist mein persönliches Jahr des „Spiegelbilds“ – und genau das ist dieses Ritual für mich geworden: ein täglicher Blick in den inneren Spiegel.


Was denke ich?

Was bewegt mich?

Was darf sich verändern?


Nach vier Monaten kann ich sagen: Etwas hat sich verändert. Ich reagiere anders. Ruhiger. Klarer.Und ich schreibe mit mehr Freude als je zuvor.

Denn irgendwann habe ich aufgehört, mich zu verstecken. Heute schreibe ich, um Gedanken zu ordnen, Geschichten zu erzählen, Menschen zu berühren –und manchmal auch einfach, um mich selbst zum Schmunzeln zu bringen.


„Optimal reicht auch“ – und das ist genug

Natürlich bleibt da diese Stimme im Kopf: „Du darfst keine Fehler machen.“ Besonders bei meinem Buch „Deine Lebenssinnreise“ war sie laut. Ich wusste, dass Inhalt allein nicht reicht – nicht, wenn Fehler Leser abschrecken könnten. Also habe ich ein Lektorat beauftragt. Nicht, weil ich mich verstecken wollte. Sondern weil ich wollte, dass mein Buch die Menschen erreicht, für die es geschrieben ist.


Ich habe gelernt, meine Schwächen nicht länger zu verstecken. Heute spreche ich offen darüber – und genau das schafft oft die tiefsten Gespräche, gerade im Coaching. In meiner Ausbildung zum Business Coach habe ich verstanden, wie entwaffnend es sein kann, die eigene Unfähigkeit zu zeigen.



Ein Glas Wasser verschütten. Oder eben: auf einem Plüsch-Einhorn sitzen. Und wenn ich irgendwann einen eigenen Coachingraum habe, dann hängt es dort.


Als Einladung.

Als Brücke.

Als stilles: Du darfst du sein. Auch mit Fehlern.


Rechtschreibung – streng oder zweitrangig?

Manchmal frage ich mich, warum wir an manchen Stellen so streng mit Sprache sind. Warum ein fehlendes Komma mehr wiegt als eine gelungene Metapher. Aber ich weiß auch: Ohne Regeln geht es nicht.


Ich selbst lebe mit einem tief verankerten Drang zur Perfektion, dem ich oft genug hinterherlaufe, obwohl ich weiß, dass ich ihn nie erreichen werde.


Mein Kompromiss heißt heute: „Optimal reicht auch.“


Ich werde wohl nie der König der Kommasetzung sein.

Aber ich bin einer, der morgens schreibt.

Der Gedanken teilt.

Der sich traut.


Was bleibt?

Vielleicht ist es genau das, was ich gelernt habe: Rechtschreibung ist nicht die Eintrittskarte für Bedeutung. Du darfst Fehler machen. Du darfst dich zeigen.

Und wenn du etwas zu sagen hast –


dann sag es.

Schreib es.

Zeig dich.


Ich wünsche jedem Kind mit einer Rechtschreibschwäche, dass es das erleben darf. Dass es nicht lernt, sich zu verstecken – sondern sich auszudrücken. Dass jemand da ist, der sagt:


„Das, was du schreibst, zählt.“


Nicht das, was du dabei falsch machst.


Neugierig geworden? Wenn du Lust hast, mehr über meine Gedanken, meine Arbeit oder meinen Weg zu erfahren: Bist du hier schon richtig, auf meinem Blog. Vielleicht findest du dort nicht nur Worte, sondern Impulse, die dich wirklich weiterbringen.


Und wer weiß – vielleicht begegnen wir uns ja eines Tages im Coachingraum. Zwischen Büchern. Und einem Plüsch-Einhorn.



Hinterlasse gerne einen Kommentar, den der ist für mich wie der Applaus für einen Darsteller. Danke.


Stefan


Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade von Kerstin Salvador: https://kerstin-salvador.de/blogparade-schreiben


 
 
 

1 Comment


Hallo Stefan,


was für ein ehrlicher und Mut machender Beitrag!


Besonders der Teil, indem du schreibst, dass es nicht auf die perfekte Rechtschreibung ankommt, sondern darum, seine Meinung/Haltung/Werte auszusprechen, sie niederzuschreiben und damit sichtbar zu werden, gefällt mir sehr.


Diese Perspektive ist in einer Welt, die oft mehr auf Perfektion als auf Echtheit achtet, sehr wertvoll. Das zeigt (wieder einmal), dass wahre Verbindung dort entsteht, wo wir den Mut haben, uns trotz (oder gerade wegen) unserer vermeintlichen Schwächen mitzuteilen.


Vielen Dank für deine Offenheit.


Alles Liebe

Sevi


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